Politik und IG Metall demonstrieren für Rettung der Werften

28. Oktober 2020 ©
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Zur Rettung der existenzgefährdeten Werften in Norddeutschland haben die IG Metall und Politiker bessere Rahmenbedingungen des Bundes und mehr öffentliche Aufträge gefordert. In Kiel demonstrierten am Mittwoch Beschäftigte aus Werften und Zulieferbetrieben für den Erhalt ihrer gefährdeten Arbeitsplätze.
Kiel (dpa) - Zur Rettung der existenzgefährdeten Werften in Norddeutschland haben die IG Metall und Politiker bessere Rahmenbedingungen des Bundes und mehr öffentliche Aufträge gefordert. In Kiel demonstrierten am Mittwoch Beschäftigte aus Werften und Zulieferbetrieben für den Erhalt ihrer gefährdeten Arbeitsplätze. Wegen der steigenden Corona-Zahlen beschränkte die IG Metall die Teilnehmerzahl auf etwa 300 «Delegierte». Die Demonstranten trugen Masken, wie es die Polizei zur Auflage gemacht hatte.
Die IG Metall befürchtet den Verlust eines Drittels der rund 18 000 Arbeitsplätze der Werften. Die Substanz der maritimen Wirtschaft sei im ganzen Norden, aber auch gerade in Schleswig-Holstein gefährdet, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP), SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Stegner und die Oberbürgermeister von Flensburg und Kiel, Simone Lange und Ulf Kämpfer (beide SPD) bekannten sich zum Schiffbau als eine Kern- und Zukunftsindustrie im Norden. Wie ein roter Faden zog sich die Forderung nach mehr öffentlichen Aufträgen für Behördenschiffe und die Marine hindurch.
Buchholz überraschte bei der Kundgebung vor dem Parlament mit der Mitteilung, dass die Kieler Werft German Naval Yards (GNY) einen zweistelligen Millionenbetrag aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes erhält. Der Bescheid sei nach Angaben des Koordinators der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, am Dienstag unterschrieben worden, sagte Buchholz. Er nannte keine konkrete Summe. Nach dpa-Informationen geht es um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.
Buchholz unterstrich erneut, die Landesregierung tue alles, um die Werften, die Zulieferbetriebe und die Arbeitsplätze zu erhalten. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte wegen der Vorbereitungen auf die Corona-Schalte mit den Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel mit sehr großem Bedauern seine Teilnahme absagen müssen.
Kiels Oberbürgermeister Kämpfer betonte, Werften und maritime Wirtschaft seien noch immer das industrielle Herz Kiels. «Deshalb kämpfen wir für jeden einzelnen Arbeitsplatz in dieser Branche. Wenn die Werften in Schieflage geraten, kommen ganze Regionen ins Rutschen. Diese Botschaft muss die Landesregion noch stärker nach Berlin tragen.» Flensburgs Oberbürgermeisterin Lange forderte: «Aufträge für Marine- und Behördenschiffe gehören an deutsche Werften.» Die Schiffbauer könnten gute und moderne Schiffe bauen. «Man muss ihnen aber auch die Möglichkeit geben, das zu tun.»
Der mehr als fünf Milliarden Euro umfassende Auftrag für das deutsche Mehrzweckkampfschiff MKS 180 war im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung an die niederländische Damen-Werft gegangen. Gebaut werden sollen die Schiffe - unter Federführung der Niederländer - bei Blohm + Voss in Hamburg.
Die Bundesregierung habe den militärischen Schiffbau zwar als Schlüsseltechnologie eingestuft, dieser Beschluss müsse aber auch umgesetzt werden, kritisierte Buchholz. «Es darf nicht bei einem Lippenbekenntnis in Berlin bleiben.» Aufträge ins europäische Ausland zu vergeben oder europäisch auszuschreiben, sei mit diesem Grundsatzbeschluss «nicht vereinbar».
Zugleich forderte Buchholz eine weitere Konzentration. Die Werften German Naval Yards, ThyssenKrupp Marine Systems und Lürssen - zu der Blohm + Voss gehört - hätten allein im miltärischen Schiffbau keine Zukunft. «Da muss es einen großen Anbieter geben», sagte Buchholz. «Dann schaffen wir auch innovativ die Auslastung der Werften insgesamt.» Im Mai hatten GNY und Lürssen eine Fusion angekündigt.
Die Demonstranten zogen am Morgen von den Kieler Werften ThyssenKrupp Marine Systems und GNY über die Hörnbrücke über die Kieler Förde hin zum Landtag. Im Parlament stand am Nachmittag auf Antrag der SPD eine Debatte über die Werftenkrise auf der Tagesordnung.
Oppostionsführer Stegner kritisierte: «Auch beim Thema Werftenhilfe zeigt sich, das Leichtmatrose Günther zwar gut im Schnacken, aber schlecht im Anpacken ist.» Während der ehemalige schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Reinhard Meyer als Finanzminister in Mecklenburg-Vorpommern über eine halbe Milliarde Euro als Hilfe in Berlin rausgeschlagen und die «Neustart-Prämie» eingeführt habe, müsse in Kiel die oppositionelle SPD das Thema mit einem Antrag überhaupt erstmal auf die Tagesordnung setzen.
Nach dem Desaster um das MKS 180 reiche es nicht aus, dass in Kiel eventuell zwei Doppelhüllentanker gebaut werden könnten. Ohne einen strategischen Dialog mit der Bundesregierung zur Perspektive des Marineschiffbaus und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit für die deutsche Marine sei doch «nur eine Frage der Zeit, wann in unseren Werften endgültig die Lichter ausgehen». Die Landesregierung müsse auch Eigeninitiativen zur Sicherung der maritimen Wirtschaft entwickeln und umsetzen und dürfe sich nicht länger auf glückliche Zufälle oder Dritte verlassen.
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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