«Wir sind den Menschen nicht egal»

26. April 2020 ©
26. April 2020 ©
Wo könnte man im Frühjahr hingehen, wenn es langsam warm wird, für den Strand aber noch zu kühl ist? Natürlich, in den Zoo!
Hannover (dpa/lni) - Wo könnte man im Frühjahr hingehen, wenn es langsam warm wird, für den Strand aber noch zu kühl ist? Natürlich, in den Zoo! Wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen ist in diesem Jahr allerdings alles anders - Zoos, Tier- und Freizeitparks sind in Niedersachsen geschlossen, anders als in einigen anderen Regionen Deutschlands. Das bedeutet: Keine Einnahmen, aber Ausgaben wie immer. Viele Tierparks und Zoos stehen mit dem Rücken zur Wand.
ERLEBNIS-ZOO HANNOVER: Eigentlich ist das Frühjahr für einen Zoo besonders wichtig, vor allem die Osterferien zählen. Doch in diesem Jahr: «Wir rutschen auf Null herunter», sagt Andreas Casdorff, Geschäftsführer eines der größten Zoos in Deutschland mit rund 26 Millionen Euro Umsatz. Jeder Tag koste im Zoo rund 63 000 Euro, in der Gastronomie seien es über 20 000 Euro. Die Einnahmen seien um gut 85 Prozent eingebrochen. «Es ist ein schauriges Gefühl, wenn ich morgens aufstehe und weiß, heute verliere ich wieder viel Geld», sagt er. Und: Den Tieren fehle der «positive Stress» durch die Besucher.
Außerdem vermisst er Planungssicherheit, die Entscheidungslage in Deutschland werde immer diffuser - in einigen Bundesländern sei die Teil-Öffnung der Zoos möglich. Darauf hofft auch Casdorff: «Wir bereiten uns auf die Chance vor, dass wir vielleicht wieder öffnen dürfen.» Pro Jahr kommt der Zoo mit mehr als 2000 Tieren auf rund 1,2 Millionen Besucher, im April wären es gut 150 000 geworden. Und nun: Die Mitarbeiter in Service und Gastronomie seien seit Mitte März in Kurzarbeit, im Zoo sei es die Hälfte der Beschäftigten. Aber: Dank Spenden und Tierpatenschaften komme der Zoo jährlich auf bis zu 500 000 Euro - und diese Unterstützung nehme gerade deutlich zu.
TIER- UND FREIZEITPARK THÜLE: «Wenn das so weitergeht, brauchen wir uns um die zoologische Landschaft in Deutschland keine Gedanken mehr zu machen», meint Geschäftsführerin Alexandra Grothaus. Je länger sich die Landesregierung gegen eine teilweise Öffnung sträube, «desto schwieriger wird es für uns». Der Tierpark komme aus der Winterpause, lebe vom saisonalen Geschäft und: «Jeder Euro, der heute nicht verdient wird, fehlt dann wieder im Winter.» 85 Prozent der Einnahmen seien entfallen, der Umsatzrückgang belaufe sich bisher auf eine Million Euro. Die 80 Mitarbeiter seien alle in Kurzarbeit, es habe erste Entlassungen gegeben.
Dabei sei der Tierpark auf eine Teilöffnung vorbereitet - Desinfektionsmittel, Spuck- und Mundschutz seien da. Doch selbst bei einer teilweisen Öffnung würden keine vergleichbaren Summen wie früher zusammenkommen, weil Schulklassen und Gruppenreisen ausfielen. Immerhin gibt es Hilfe, Tierpatenschaften hätten «definitiv» zugenommen: «Wir haben gemerkt, wir sind den Menschen nicht egal.»
SERENGETI-PARK HODENHAGEN: Geschäftsführer Fabrizio Sepe ist enttäuscht. Denn der Safaripark Stukenbrock im benachbarten Nordrhein-Westfalen darf Fahrten mit dem eigenen Auto durch das Gehege anbieten - anders als der Serengeti-Park: «Ich kann das logisch nicht verstehen», kritisiert er. Bei einer Erlaubnis analog zu Stukenbrock wäre das Corona-Risiko aus seiner Sicht geringer als im Baumarkt. Seit drei Wochen liege sein Konzept der Landesregierung vor. Doch vor wenigen Tagen entscheidet das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, die Schließung von Tier- und Freizeitparks sei rechtens. Die Richter sehen darin eine notwendige Schutzmaßnahme. (Az.: 13 MN 96/20)
Sepe fühlt sich ungerecht behandelt - und ist fassunglos. Denn: Täglich fielen Kosten von rund 50 000 Euro an, obwohl die meisten Mitarbeiter in Kurzarbeit seien. 44 Menschen, darunter 3 Tierärzte, kümmerten sich um rund 1500 Tiere. «Dank der Patenschaften und Spenden halten wir uns so gerade über Wasser, aber eine Teilöffnung wäre lebensrettend», betont Sepe. Andernfalls müsse man Listen zu Schlachtungen aufsetzen: «Wir möchten nicht anfangen, Tiere zu schlachten, um andere Tiere zu füttern.» Der Tierpark Neumünster in Schleswig-Holstein hatte Notschlachtpläne erarbeitet.
ZOO OSNABRÜCK: «Unsere finanzielle Lage ist sehr ernst», sagt eine Zoo-Sprecherin. Zu 75 Prozent finanziere sich der Zoo aus Besucherentgelten, die seit Mitte März komplett wegfielen. Im März 2019 kam der Zoo auf Eintrittserlöse von 375 000 Euro, 2020 wegen der Schließung Mitte des Monats nur auf 190 000 Euro. Im April 2019 lagen die Einnahmen aus Eintrittskarten bei über einer Million Euro, in diesem Jahr fielen sie ganz aus. Von den 182 Mitarbeitern seien 95 in Kurzarbeit. Auf Abstand und Hygiene werde geachtet. Und nachdem bei einem Tiger in New York das Coronavirus nachgewiesen wurde, sei auch der direkte Kontakt zu den Tieren beschränkt.
Für die Versorgung der rund 2200 Tiere fielen im Monat Kosten von etwa 290 000 Euro an - insgesamt beliefen sich die monatlichen Ausgaben auf rund 500 000 Euro. Die Stadt Osnabrück habe zugesagt, Spenden bis Ende des Jahres bis zu einer Gesamtsumme von einer Million Euro zu verdoppeln. Eine Schließung über Monate würde die Lage aber «noch mehr verschärfen und die Situation würde für uns schwierig werden».
TIERPARK NORDHORN: Ernst, aber nicht hoffnungslos sei die Lage im Tierpark Nordhorn, sagt Leiter Nils Kramer. Von den 170 Mitarbeitern seien die meisten seit April in Kurzarbeit - die Tierpflege arbeite abwechselnd in vier Teams. «Jeder Mitarbeiter der Tierparkfamilie trägt seinen Teil zur Bewältigung dieser großen Herausforderung bei, deshalb habe ich nicht vor, auch nur einen Arbeitsplatz an Corona zu verlieren», betont Kramer. Bei 2000 Tieren fielen täglich Kosten von mehr als 10 000 Euro an. «Aktuell brennt hier in den kommenden Wochen nichts an», sagt er dennoch. Einen kompletten Einnahmeausfall könne der Tierpark aber «natürlich nicht ewig durchstehen».
Der Tierparkleiter hofft auf eine teilweise Öffnung - ein Zoobesuch sei nicht anders zu werten als ein Spaziergang an der frischen Luft, Abstandsregeln könnten eingehalten werden. Zu den Notschlachtplänen aus Neumünster sagt Kramer: «Aufgrund von akutem Geldmangel oder «Armut» wird im Tierpark kein Tier geschlachtet, dies liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft.» Allein über Ostern seien fast 25 Prozent mehr Tierpatenschaften gewonnen worden.
ZOO AM MEER BREMERHAVEN: «Extrem viel Pech» bescheinigt Direktorin Heike Kück ihrem Zoo. Nicht nur wegen der Schließung an sich, sondern vor allem, weil der Zoo von diesem Frühjahr viel erwartet hatte - dank seiner Eisbärenzwillinge. Zu Ostern seien sonst täglich rund 23 000 Euro eingenommen worden - was bleibe, seien allein die Kosten von rund 250 000 Euro im Monat. 70 bis 80 Prozent der Einnahmen stammten aus den Eintrittskarten. Derzeit bauten die 46 Mitarbeiter Überstunden ab, wenn es aber am 4. Mai nicht zur Wiedereröffnung komme, dann stehe Kurzarbeit bevor. Bei sonnigem Wetter herrsche eine «Bilderbuchatmosphäre» im Zoo - und niemand habe etwas davon.
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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