Medinetz-Vereine helfen Menschen ohne Krankenversicherung

5. September 2021 ©
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Magdeburg/Halle (dpa/sa) - Es kann eine akute Verletzung sein, ein Besuch beim Zahnarzt, aber auch eine Schwangerschaft oder eine dauerhafte Behandlung wie eine Dialyse - wer in Deutschland keine Krankenversicherung hat, steht vor großen Problemen.
Ohne Versichertenkarte gibt es in aller Regel keine Behandlung.
In Halle und Magdeburg haben sich Medizinstudierende und Mediziner in Medinetz-Vereinen zusammengetan, um nötige Behandlungen zu vermitteln. In Magdeburg helfen sie pro Jahr rund 60 bis 80 Menschen, sagte Chiara Joos vom Vorstand des Medinetz Magdeburg. Die 21-Jährige ist eine von rund 20 aktiven Studierenden im Verein Medinetz Magdeburg. In Halle waren es im vergangenen Jahr rund 80 Menschen, denen geholfen werden konnte, sagte Anton Weiß vom Medinetz Halle. Dafür, warum Menschen keine Krankenversicherung haben, gebe es vielfältige Gründe: Es könnten Personen ohne Papiere sein, Touristen ohne Auslandsversicherung, Selbstständige, die aus dem Versicherungssystem gefallen oder Menschen, die ihre Familienversicherung verloren haben. Von der Geburt über zahnärztliche Behandlungen, Blutdruckmedikamente bis zu Mitteln gegen Sodbrennen, aber auch HIV-Patienten und Pflegebedürftige sind dabei - das ganze medizinische Spektrum ist laut Joos vertreten.
In der Corona-Zeit kommen die Klientinnen und Klienten eher zögerlicher auf das Hilfsangebot zu, sagte Joos. Die Kontaktaufnahme läuft nun auch nur per Telefon und E-Mail, nicht mehr über Sprechstunden im Büro. «Wir machen die Erfahrung, dass die Menschen eher kränker zu uns kommen. Sie warten oft ab.» Zu Beginn der Pandemie habe die Nachfrage deutlich abgenommen - wie auch an anderen Stellen im Gesundheitssystem, sagte Joos. «Inzwischen sind wir wieder auf dem Vor-Krisen-Niveau.» Es sei aber nach wie vor schwierig, die Menschen mit dem kostenlosen und anonymen Angebot zu erreichen. Viele wüssten vermutlich gar nicht davon. Dabei arbeiten die Vereine mit anderen Beratungsstellen, Verbänden und Organisationen zusammen.
Auch in der Zusammenarbeit mit einer Ärztin organisieren die Studierenden die notwendige Hilfe. Dazu können sie in Magdeburg auf ein Netz von etwa 40 niedergelassenen Medizinern und Krankenhausärzten der verschiedenen Fachrichtungen zurückgreifen, sagte Joos. Derzeit fehlten allerdings Vertreter der Urologie und der Neurologie. Die Mediziner führten die Leistungen teils unentgeltlich durch oder rechneten sie als Privatleistung ab, der Verein könne Kosten übernehmen. Die Medinetz-Vereine sind rein spendenfinanziert.
Das Medinetz Halle, wo rund laut Anton Weiß rund 15 aktive Ehrenamtliche mitarbeiten, melden sich derzeit viele Schwangere, die Hilfe brauchen. 10 bis 15 Frauen würden derzeit betreut. «Da kommen wir an unsere Grenzen, was die Kostenübernahme angeht», sagte Weiß. Es gehe um Vorsorgeuntersuchungen, aber auch die Geburt sei recht teuer. Der Verein arbeite sehr gut mit einem Krankenhaus zusammen und zahle dort nur einen Teil der Kosten. Die Spendensumme habe im vergangenen Jahr bei rund 13 000 Euro gelegen. Davon wurden medizinische Behandlungen und Medikamente bezahlt.
Die Medinetz-Vereine setzen sich dafür ein, dass perspektivisch niemand mehr ohne Krankenversicherungsschutz lebt und fordern Lösungen von der Politik. Unter anderem befürworten sie das Konzept des Anonymen Krankenscheins. Mit diesem könnten Betroffene zu allen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und ins Krankenhaus gehen, um sich untersuchen und behandeln zu lassen. Die Kosten würden mit dem Projektträger abgerechnet, der über öffentliche Mittel finanziert wird. Unterschiedliche Konzepte gebe es schon in Berlin, Hamburg, München, Leipzig und Thüringen. Die Medinetz-Vereine hoffen auf eine Lösung auch für Sachsen-Anhalt.
Im Entwurf des Koalitionsvertrags von CDU, SPD und FDP steht dazu der eine Satz: «Sofern es nötig ist, streben wir ein Modellprojekt zur medizinischen Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung in Sachsen-Anhalt an.» Anton Weiß ist gespannt, ob er mit Leben gefüllt wird.
© dpa-infocom, dpa:210905-99-98743/2
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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