Chef-Pathologe pocht auf mehr Obduktionen von Geimpften

1. August 2021 ©
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Stuttgart/Heidelberg (dpa/lsw) - Der Chef-Pathologe der Uni Heidelberg, Peter Schirmacher, drängt zu viel mehr Obduktionen von Geimpften.
Neben Corona-Toten müssten auch die Leichname von Menschen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung sterben, häufiger untersucht werden, sagte Schirmacher der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Der Direktor des Pathologischen Instituts in Heidelberg warnt gar vor einer hohen Dunkelziffer an Impftoten und beklagt: Von den meisten Patienten, die nach und möglicherweise an einer Impfung sterben, bekämen die Pathologen gar nichts mit. Allerdings widersprechen ihm in dem Punkt andere Wissenschaftler ebenso wie die Ständige Impfkommission (Stiko) und das Paul-Ehrlich-Institut.
Seit einem Jahr werden an den Unikliniken im Südwesten Corona-Tote obduziert, um die Erkrankung besser zu verstehen. Das Land unterstützt die Covid-19-Obduktionsforschung der Universitätspathologien mit rund 1,8 Millionen Euro. Schirmacher leitet das Autopsie-Projekt. Die Erkenntnisse von bislang mehr als 200 Obduktionen hätten unter anderem zu einer besseren Behandlung und Beatmung von Covid-Erkrankten geführt, sagt er. «Die hier gewonnen Erkenntnisse helfen also dabei, Erkrankte nun besser und erfolgreicher behandeln zu können und Leben zu retten», sagt auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Schirmacher, seit 2012 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, hofft, dass die Förderung nächstes Jahr fortgesetzt wird.
Der Mediziner will nun verstärkt seltenen, schweren Nebenwirkungen des Impfens - etwa Hirnvenenthrombosen oder Autoimmunerkrankungen - auf den Grund gehen. Das Problem aus seiner Sicht: Geimpfte sterben meist nicht unter klinischer Beobachtung. «Der leichenschauende Arzt stellt keinen Kontext mit der Impfung her und bescheinigt einen natürlichen Tod und der Patient wird beerdigt», berichtet Schirmacher. «Oder er bescheinigt eine unklare Todesart und die Staatsanwaltschaft sieht kein Fremdverschulden und gibt die Leiche zur Bestattung frei.»
In Baden-Württemberg arbeiteten die Pathologen daher mit Staatsanwaltschaften, der Polizei und niedergelassenen Ärzten zusammen, berichtet Schirmacher. Mehr als 40 Menschen habe man bereits obduziert, die binnen zwei Wochen nach einer Impfung gestorben sind. Schirmacher geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent davon an der Impfung gestorben sind. Die Häufigkeit tödlicher Impffolgen wird aus seiner Sicht unterschätzt - eine politisch brisante Aussage in Zeiten, in denen die Impfkampagne an Fahrt verliert, die Delta-Variante sich rasant ausbreitet und Einschränkungen von Nicht-Geimpften diskutiert werden.
Schirmacher erhält denn auch deutlichen Widerspruch von anderen Wissenschaftlern. Die Aussagen, man wisse derzeit zu wenig über Nebenwirkungen und die Gefahren des Impfens würden unterschätzt, seien nicht nachvollziehbar, teilte das Paul-Ehrlich-Institut mit. Insbesondere für schwerwiegende Reaktionen, zu denen auch gehört, wenn ein Mensch nach einer Impfung stirbt, bestehe eine Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz. «Ich kenne keine Daten, die hier eine begründbare Aussage zulassen und gehe nicht von einer Dunkelziffer auf», sagte der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens.
Für die Annahme einer hohen Dunkelziffer von Impfkomplikationen oder gar Todesfällen bestehe kein Anlass, betonte auch der Immunologe Christian Bogdan von der Uniklinik Erlangen. «Auch kann von einer Vernachlässigung möglicher Gefahren von COVID-19-Impfstoffen nicht die Rede sein.» Gerade die letzten Wochen und Monate hätten gezeigt, dass das Surveillance-System gut funktioniere. So sei in Deutschland sehr frühzeitig das seltene Auftreten von Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit Astrazeneca (1-2 Fälle auf 100 000 Impfungen) als Komplikation erkannt worden, sagt Bogdan.
Schirmacher beharrt auf seiner Meinung. «Die Kollegen liegen da ganz sicher falsch, weil sie diese spezifische Frage nicht kompetent beurteilen können», reagierte er. Er wolle keine Panik verbreiten und sei keinesfalls ein Impfgegner, sagt der Professor, der sich selbst nach eigenen Angaben gegen Corona impfen ließ. Die Impfung sei ein wesentlicher Bestandteil im Kampf gegen das Virus, stellt er klar. Aber man müsse die medizinischen Gründe für eine Impfung individuell abwägen. Aus seiner Sicht wird die «individuelle Schutzüberlegung» überlagert vom Gedanken der schnellen Durchimpfung der Gesellschaft.
Auch der Bundesverband Deutscher Pathologen dringt auf mehr Obduktionen von Geimpften. Nur so könnten Zusammenhänge zwischen Todesfällen und Impfungen ausgeschlossen oder nachgewiesen werden, sagt Johannes Friemann, der Leiter der Arbeitsgruppe Obduktion in dem Verband. Allerdings wird aus seiner Sicht noch zu wenig obduziert, um von einer Dunkelziffer zu sprechen. «Man weiß noch gar nichts.» Hautärzte und Gesundheitsämter müssten sensibilisiert werden. Die Länder müssten die Gesundheitsämter anweisen, vor Ort Obduktionen anzuordnen. Das hatte der Pathologen-Bundesverband bereits im März in einem Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert. Er blieb unbeantwortet, sagt Friemann.
© dpa-infocom, dpa:210801-99-647273/2
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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