Urteil nach Tod einer dreifachen Mutter
11. Juli 2021
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11. Juli 2021
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Bielefeld (dpa) - Sie warf sich schützend vor ein Familienmitglied und wurde von den Augen ihrer eigenen Kinder erschossen: Am Montag (14.00) will das Landgericht Bielefeld ein Urteil in dem Fall einer getöteten 33-Jährigen verkünden.
Angeklagt ist ihr Schwager, ein 48-jähriger Mann aus Löhne im Kreis Herford. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus Heimtücke vor und hat im Plädoyer 13 Jahre Gefängnis und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gefordert.
Ursprünglich waren die Ermittler davon ausgegangen, dass der im Kosovo geborene Mann seine von ihm getrennt lebende Ehefrau töten wollte, um seinen Herrschaftsanspruch über die Familie in seinem traditionellen Rollenverständnis klar zu machen. Die Schüsse in der Wohnung der Ehefrau, die unverletzt blieb, trafen den Bruder des Angeklagten und dessen Frau, letztere tödlich.
Das Bild hat sich im Laufe des Verfahrens, in dem sich der Angeklagte über seine Verteidiger auch zu den Vorwürfen geäußert hat, in eine etwas andere Richtung gedreht. Nach der Einschätzung eines psychiatrischen Gutachters leidet der Angeklagte seit mehreren Jahren unter einer paranoiden Schizophrenie. Es gab für ihn eine Sicht der Dinge nach außen und nach innen. Er habe ein eigenes Binnenleben geführt mit Stimmen, die zu ihm gesprochen haben. Es sei sehr erstaunlich, wie lange das von seinem Umfeld nicht erkannt worden sei. Der Gutachter sprach sich deshalb für die Unterbringung in der Psychiatrie aus.
Seine Frau beschrieb der Angeklagte im Prozess als gute Mutter, die aber im Laufe der Jahre immer eifersüchtiger geworden sei. Beide hatten noch im Kosovo geheiratet und waren 1994 nach Deutschland gekommen. Vor der Tat habe er eine Stimme gehört: «Komm, Du bist ein starker Mann». Er erinnere sich noch, wie er mit der Waffe in der Hand auf seinen Bruder zugegangen sei.
Der war mit seiner Familie aus Bayern angereist, um die Schwägerin in der schwierigen Lebenssituation zu unterstützen. In der Wohnung seiner von ihm getrennt lebenden Frau gab es eine Rangelei, Schüsse fielen. Der Angeklagte erinnert sich erst wieder an die Zeit danach. Er hatte nach der Schussabgabe einen Herzstillstand und musste von den Rettungskräften reanimiert werden.
Der Verteidiger plädierte ebenfalls auf die Unterbringung in der Psychiatrie. Ein Mord aus Heimtücke aber sei die Tat nicht gewesen, wohl eher eine versuchte oder fahrlässige Tötung. Die Familie habe mit einem Angriff gerechnet. Unter dem Sofa habe für die Abwehr ein Beil gelegen. Einen Strafantrag stellte der Anwalt nicht.
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Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH