Baugrund im Umland gefragt

1. Juni 2021 ©
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Frankfurt/Friedrichsdorf (dpa/lhe) - Die Wohnungsnot in den Städten und der Homeoffice-Trend während der Corona-Pandemie dürften den Traum vieler Menschen in Hessen von den eigenen vier Wänden beflügeln.
Dabei rücken auch Landkreise in den Fokus, die weiter entfernt vom Rhein-Main-Gebiet lägen, sagte der Verbandsdirektor des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain, Thomas Horn, der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist eine Riesenchance für den zweiten und dritten Gürtel rund um Frankfurt.» Umweltverbände und Landwirte sehen die Entwicklung allerdings mit Sorge und mahnen mit Blick auf Klimawandel und den wachsenden Nahrungsmittelbedarf einen sparsamen Umgang mit der endlichen Ressource Boden an.
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Wo große Neubauprojekte angedacht sind - wie etwa der an der A5 auf Wiesen und Feldern geplante neue Frankfurter Stadtteil oder das Ostfeld am Rande Wiesbadens - gibt es allerdings auch viel Widerstand. Auch andernorts sprießen Neubauten an Ortsrändern aus dem Boden - etwa in Nieder-Erlenbach, wo in einem Baugebiet 44 Doppelhaushälften entstehen. Landwirte fürchten durch solche Projekte um wertvolles Ackerland.
Bereits vor gut drei Jahren hatten der Hessische Bauernverband (HBV) und der Umweltverband BUND deshalb einen gemeinsamen Appell an die hessische Landesregierung gerichtet, den Flächenverlust im Offenland zu stoppen. «Die Forderung aus Sicht der Landwirtschaft ist, möglichst Baulücken zu schließen, Innen- vor Außenentwicklung zu stellen und in die Höhe zu bauen», erklärte HBV-Präsident Karsten Schmal. Einmal versiegelte Flächen seien für die Produktion regionaler Lebensmittel und damit auch als Einkommensquelle für die heimischen Landwirte sowie für die Biodiversität unwiederbringlich verloren.
Sowohl beim Bauernverband als auch beim BUND fürchtet man, dass das erst in der vergangenen Woche vom Bundesrat abgesegnete Baulandmobilisierungsgesetz weiteren Druck für Wohn- und Gewerbebaugebiete in Hessen mit sich bringen wird. Durch das Gesetz sollen mehr Flächen für den Wohnungsbau geschaffen werden, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Gemeinden können demnach künftig brachliegende Flächen leichter für den Bau von Wohnungen nutzbar machen - vor allem in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Kritisch sei vor allem ein Paragraf, der das Bauen an Ortsrändern vereinfacht, auch weil Umweltprüfungen dadurch wegfallen, heißt es von den Verbänden. So könnte sich der Flächenfraß beschleunigen. «Der Boden ist unser wichtigster Speicher für Kohlenstoff, deshalb ist Bodenschutz auch Klimaschutz», mahnte der Vorsitzende des BUND Hessen, Jörg Nitsch.
Die hessische Landesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch in Hessen auf maximal 2,5 Hektar pro Tag zu begrenzen. Aus Sicht des BUND wäre eine Reduktion auf einen Hektar pro Tag bis 2023 nötig und danach eine möglichst rasche weitere Absenkung auf netto null Flächenverbrauch, etwa durch den Vorrang für Projekte innerhalb der Kommunen statt der Inanspruchnahme neuer Flächen. Auch sollte auf Planungen für Logistikzentren verzichtet werden. Zuletzt hatte der hessische Verwaltungsgerichtshof Baustopps für eine Logistik-Halle des Versandhändlers Amazon in Echzell sowie für ein Rewe-Logistikzentrum in Wölfersheim (beide Wetteraukreis) bestätigt.
Regionalverband-Präsident Horn sieht den zunehmenden Widerstand auch gegen solche Projekte kritisch. Abgesehen vom Arbeitskräftepotenzial müssten die 2,4 Millionen Einwohner im Verbandsgebiet auch reibungslos und schnell versorgt werden, dafür seien solche Standorte unerlässlich. «Wir können doch nicht täglich 1000 Lkw von der polnischen Grenze starten lassen», sagte Horn. Er sprach sich auch dafür aus, Möglichkeiten wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gegen Bebauungspläne in Zeiten der Wohnungsnot auszusetzen. Heute reiche es bereits, mit einer Bürgerinitiative zu drohen, um wichtige Vorhaben zu blockieren, sagte Horn. «Wenn der Wohnungsbau als zentrale Frage oben auf der Agenda steht, muss die Politik dafür sorgen, dass er beschleunigt wird.»
© dpa-infocom, dpa:210601-99-814646/3
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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