Erster schwarzer Nationalspieler Kostedde wird 75

17. Mai 2021 ©
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Frankfurt/Main (dpa) - Erwin Kostedde, Deutschlands erster schwarzer Fußball-Nationalspieler, hat zeitlebens unter Rassismus gelitten - bis heute.
«Es ist geblieben wie früher. Das ist eine harte Aussage», sagte der in Münster geborene Sohn eines US-Besatzungssoldaten und einer Deutschen, der am Freitag 75 Jahre alt wird, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Es hat sich etwas gewandelt, aber man darf in Deutschland, in Frankreich oder Amerika keine andere Hautfarbe haben. Die Hautfarbe, die trennt.»
Das Anderssein und das Angefeindet-Werden hat seine Jugend in den Nachkriegsjahren geprägt, seine Karriere als einer der besten Torjäger des Landes und die Zeit nach dem Fußball. «Ich hatte auch ein gutes Leben, was man auf dem ersten Blick nicht so sehen kann», bilanzierte Kostedde. «Es war halb und halb, gut und schlecht.»
Was er besonders gut konnte, was ihm Anerkennung und Ruhm einbrachte, war das Toreschießen: In 520 Spielen waren es 291 Treffer, davon in 219 Bundesliga-Partien 98 Tore für den MSV Duisburg, Kickers Offenbach, Hertha BSC, Borussia Dortmund und Werder Bremen. «Früher konnte man sich als Mittelstürmer mit Toren beweisen. Heute ist es ein bisschen anders: Man muss sich auf dem Platz mehr und überall beweisen», erklärte Kostedde, der kein Trainings-Weltmeister und dessen Bewegungszone der Strafraum war.
Wäre er mit mehr Fleiß und Disziplin ein ganz Großer, wie es seinerzeit Gerd Müller war, geworden? «Das glaube ich nicht», sagte er. «Vielleicht war ich zu laissez-faire, aber das passte zu mir. Ich war nicht der Schnellste und der Fleißigste, aber ich wusste, wo ich stehen und wie ich die Bälle annehmen musste.» Er stand aber auch gern am Kneipentresen und hatte den Ruf eines Hallodris. «Die Sauferei, das weich im Kopf sein, das gefiel mir daran», zitierte Alexander Heflik, Autor der Biografie «Erwin Kostedde - Deutschlands erster schwarzer Nationalspieler», Kostedde. Der Alkohol als Flucht.
Erwin Kostedde war der Exot im deutschen Fußball, gefeiert für seine Tore als «deutscher Pelé», angefeindet, attackiert und unsäglich beleidigt als «Kohleneimer» von Dortmunder Anhängern, wenn sie ausblieben. «Wenn ich schlecht gespielt hatte, habe ich mich gefragt, ob die Fans Spieler mit weißer Hautfarbe auch so ausgepfiffen hätten», sagte Kostedde. «Schlecht spielen durfte ich nicht. Geduld hat man mit mir nicht gehabt.»
Geduldig musste er selbst sein, bis er in die Nationalmannschaft berufen wurde und am 22. Dezember 1974 auf Malta sein Debüt mit 28 Jahren geben durfte. Franz Beckenbauer gehörte zu seinen Fürsprechern. «Ich war der erste farbige Nationalspieler. Darauf war ich stolz», sagte er. Es sollten aber nur noch zwei in England und Griechenland folgen: «Ich hätte mehr Länderspiele haben können, passte aber nicht in die Mannschaft, das habe ich gemerkt.» Pech hatte er, dass Gerd Müller als genialer Nationalstürmer ihm die Tür versperrte. «Ich habe es ihm gegönnt», betonte Kostedde.
Beim VfL Osnabrück beendete er die Karriere, versuchte sich mit wenig Erfolg als Trainer und verlor fast sein ganzes Geld an einen Anlagebetrüger. An den existenziellen Abgrund brachte ihn jedoch die zu Unrecht erfolgte Verhaftung und Anklage wegen eines Raubüberfalls auf eine Spielhalle in Coesfeld im Sommer 1990. Kostedde wurde nach einem halben Jahr Haft, in der er fast zerbrach, freigesprochen.
«Ich knabbere heute noch daran. Wenn meine Familie nicht gewesen wäre, hätte ich mir das Leben genommen», sagte Kostedde, der sein Leben als «ein Elend» bezeichnete. «Jetzt nach dem Tod meiner Frau sowieso. Sie war 90 Prozent meines Lebens. Sie hätte mich nicht heiraten dürfen.» Es habe glücklichen Zeiten gegeben, «aber wie wir gelebt haben, war manchmal menschenunwürdig, vor allem nachdem, was man mir mit dem Überfall angedichtet hat», meinte Kostedde.
«Ein Leben läuft manchmal ganz anders, mal aus den Fugen, mal in die Höhe, dann vor die Wand, irgendwie immer weiter und weiter», schreibt sein Biograf Heflik in seinem Nachwort. «Erwin Kostedde sollte kein Mitleid bekommen, denn er hat Respekt verdient.»
© dpa-infocom, dpa:210517-99-628801/2
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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