Amnestie bei Schwarzarbeit in häuslicher Pflege
4. November 2020
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Wohlfahrtsverbände, Politik und Gewerkschaften fordern mehr Arbeitnehmerschutz für Zehntausende osteuropäische Pflegekräfte, die in deutschen Privathaushalten alte und kranke Menschen pflegen. Pflegebedürftige, ihre Familien und auch die Beschäftigten brauchten Rechtssicherheit, damit es in der Corona-Pandemie nicht zu einem Versorgungsengpass in der häuslichen Pflege komme, heißt es in einem Antrag der SPD für eine Expertenanhörung des Arbeits- und Gesundheitsausschusses im Landtag am Mittwoch.
Düsseldorf (dpa/lnw) - Wohlfahrtsverbände, Politik und Gewerkschaften fordern mehr Arbeitnehmerschutz für Zehntausende osteuropäische Pflegekräfte, die in deutschen Privathaushalten alte und kranke Menschen pflegen. Pflegebedürftige, ihre Familien und auch die Beschäftigten brauchten Rechtssicherheit, damit es in der Corona-Pandemie nicht zu einem Versorgungsengpass in der häuslichen Pflege komme, heißt es in einem Antrag der SPD für eine Expertenanhörung des Arbeits- und Gesundheitsausschusses im Landtag am Mittwoch. Die SPD fordert eine Amnestieregelung. Damit solle es ermöglicht werden, Pflegekräfte zu einem bestimmten Stichtag offiziell anzumelden, ohne mit Strafverfolgung rechnen zu müssen.
Rund 400 000 Pflegekräfte aus dem Ausland sind nach Schätzungen des des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung illegal in Deutschland beschäftigt. Der Sozialverband VdK schätzt die Zahl auf 300 000 bis 500 000.
Familien, die Beschäftigte aus dem Ausland nicht ordnungsgemäß anmeldeten, dürfen nicht kriminalisiert werden, so die SPD. Denn auch die Angehörigen seien oft in einer Notlage. Häufig reiche es nicht aus, wenn der ambulante Pflegedienst zwei Mal am Tag für eine halbe Stunde komme. Eine legale Ganztagesbeschäftigung von Pflegekräften sei für viele aber zu teuer.
Auch das Unternehmen «CariFair» vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn hält eine Kriminalisierung der Beteiligten «für unangemessen», da die Beschäftigungsverhältnisse aufgrund einer Notlage auf beiden Seiten eingegangen würden.
Betreuungskräfte aus Polen stellen nach Angaben des Beratungsnetzwerks «Faire Mobilität» des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aktuell die größte Beschäftigtengruppe in der Branche dar. Häufigste Vertragsform sei der «polnische Dienstleistungsvertrag». Damit sei die Pflegekraft quasi selbstständig und habe keinen Anspruch auf Arbeitnehmerschutzrechte wie bezahlten Urlaub, Kündigungsschutz oder Lohnfortzahlung bei Krankheit. In Polen werde der Vertrag daher auch als «Müllvertrag» bezeichnet.
Eines der größten Probleme in der Branche seien die Arbeitszeiten. Für die Pflegekräfte aus Osteuropa habe sich der Werbeslogan «24 Stunden Pflege» eingebürgert. Damit werde suggeriert, dass eine «Rund-um-die-Uhr-Versorgung» gewährleistet sei, so das Beratungsnetzwerk. Oft würden Überstunden nicht vergütet und der gesetzliche Mindestlohn unterschritten.
«Seit Jahrzehnten» sei das Thema illegal Beschäftigter in der häuslichen Pflege bekannt, heißt es beim Sozialverband VdK. «Jedoch gibt es in dem sensiblen Bereich bisher keine nennenswerten Lösungen.» Die SPD fordert, dass Bund und Länder bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister am 26. und 27. November das Thema vorantreiben.
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist daraufhin, dass nicht alle ausländischen Hilfskräfte ausgebildete Pflegekräfte seien. Medizinische Behandlungen seien durch sie daher nicht erlaubt. Das sei vielen Familien aber gar nicht bewusst. Neue Haushalts- und Betreuungskräfte müssten über geregelte Wege nach Deutschland kommen. Die Anstellungen müssten registriert und geprüft werden.
Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V. kritisierte, dass Pflegekräfte aus dem Ausland immer wieder als ausgebeutet dargestellt würden. Die häusliche Pflege sei aber ein «Anbietermarkt». Tatsächlich wechselten Betreuungspersonen die Stelle sofort, sobald sie sich überfordert oder schlecht behandelt fühlten. Das monatliche Netto-Einkommen steige seit Jahren und zuletzt coronabedingt sogar sprunghaft. Mittlerweile liege es bei durchschnittlich 1400 Euro im Monat, mit Kost und Logis seien es rund 1800 Euro.
Wenn alle Arbeitnehmer in dem Bereich regulär angestellt wären und die nächtliche Präsenz als Bereitschaftszeit gewertet würde, bräuchte es vier bis fünf Vollzeitstellen, um drei Schichten, Wochenende, Urlaub und Krankheit abzudecken, rechnete der Verband vor. «Solche Forderungen gingen an der Organisierbarkeit und Finanzierbarkeit vorbei.
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH