Große Mehrheit für härtere Corona-Maßnahmen
29. Oktober 2020
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Schleswig-Holsteins Landtag unterstützt mit großer Mehrheit insgesamt die von Bund und Ländern beschlossenen Verschärfungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Dies machte am Donnerstag trotz Kritik in Einzelpunkten die Debatte über eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) deutlich.
Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Landtag unterstützt mit großer Mehrheit insgesamt die von Bund und Ländern beschlossenen Verschärfungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Dies machte am Donnerstag trotz Kritik in Einzelpunkten die Debatte über eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) deutlich. Nur die AfD setzte sich komplett ab. Kritik besonders an der Schließung der Gaststätten im November kam auch von der FDP.
«Die Situation ist dramatisch», sagte Günther in einer kurzen Regierungserklärung. Es gehe darum, die Wirtschaft am Laufen und Schulen wie Kitas offen zu halten. Bund und Länder hatten am Vortag beschlossen, Kontakte drastisch zu beschränken und Einrichtungen wie Gaststätten, Kinos und Theater im November zu schließen. «Wir stehen zu unserer staatspolitischen Verantwortung», sagte Günther. Dies gelte für alle Koalitionspartner. Günther dankte ausdrücklich den Oppositionsfraktionen von SPD und SSW für deren Mitwirken. «Ganz, ganz herzlichen Dank», sagte er an die Adresse der Fraktionschefs Ralf Stegner und Lars Harms. Die drei SSW-Abgeordneten fehlten erneut wegen einer freiwilligen Quarantäne nach einem Corona-Kontakt.
Günther rief die Schleswig-Holsteiner auf, in den nächsten vier Wochen die Zumutungen infolge der verschärften Maßnahmen zu ertragen und die Regeln einzuhalten. Je mehr dies täten, desto größer sei die Chance, die Maßnahmen in einem Monat zurücknehmen zu können. Im November 2020 sei der Lieblingsenkel derjenige, der nicht zu Besuch kommt. «Halten Sie sich bei Kontakten zu anderen Menschen zurück!», sagte Günther. «Das ist im Moment das Gebot der Stunde.» Völlig falsch wäre es, zu Hause groß zu feiern, wenn das in Gaststätten nicht möglich sei.
Günther rechtfertigte unter Hinweis auf steigende Infektionszahlen und die Notwendigkeit bundesweit einheitlicher Regeln sein Ja zur Schließung der Gaststätten, die er eigentlich verhindern wollte. Er bescheinigte den Gastronomen eine hervorragende Arbeit im Sinne des Gesundheitsschutzes. Aber wenn 15 andere Länder Hotels und Gaststätten schließen, könne es nicht richtig sein, dies hier nicht zu tun. Er verstehe aber die Enttäuschung. Die Schließung der Gaststätten und der Hotels für Touristen löste in der Branche und darüber hinaus in der Wirtschaft massive Kritik aus.
«Es ist eine unfassbare Aufgabe, die wir vor uns haben», sagte Günther. «Wir haben die Kraft, aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen.» In Schleswig-Holstein gibt es zwar weniger Corona-Fälle als in anderen Ländern, aber zuletzt stieg die Zahl der Neuinfektionen wiederholt auf Rekordwerte.
«Die bundesweite Einigung ist begrüßenswert, denn es geht in der Tat um einen nationalen Kraftakt, den es zu bewältigen gilt und zu dem Kleinstaaterei auch dann nicht passt, wenn das Infektionsgeschehen regional sehr unterschiedlich ist», sagte SPD-Fraktionschef Stegner. In der zweiten Pandemiewelle müssten diejenigen viel stärker in den Blick genommen werden, die es ohnehin schwer haben.
«Wir wollen auch, dass es keine privaten Feten gibt und auch die privaten Kontakte reduziert werden», sagte Stegner. Das erfordere die Mitwirkung der Bürger. «Was wir nämlich nicht wollen und keinesfalls dulden dürfen, ist eine grundwertewidrige polizeiliche Überwachung und Kontrolle in Privaträumen. Und wir wollen auch nicht den Einsatz "besonders wachsamer Nachbarn".»
Auch die Grünen unterstützten die Beschlüsse, sagte Fraktionschefin Eka von Kalben. Wichtig sei es, die Maßnahmen zu erklären. Es gebe keine, die alle akzeptierten. Man müsse sich auch mit Zweifeln auseinandersetzen. Dass die Länder sich nicht einigen konnten, Feiern im privaten Rahmen zu beschränken, sei sehr ärgerlich. Gerade diese Feiern hätten wesentlich zur zweiten Welle beigetragen. «Und deshalb ist es wirklich ätzend, dass wir uns solidarisch zeigen und auch dort einschränken, wo Hygieneregeln eingehalten werden, und einige Länder schränken die wahren Ansteckungsherde nicht ein.»
«Einen solchen Lockdown wollten wir unbedingt verhindern», sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Aus seiner Sicht hätte es einen regionalisierten Stufenplan geben können, unter Verschonung der hiesigen Gaststätten und Hotels. Aus Verantwortung für das Land stimme die FDP aber dem Maßnahmenpaket trotz erheblicher Bauchschmerzen zu. «Das fällt uns an dieser Stelle alles andere als leicht.» Vogt widersprach der Aussage seines CDU-Kollegen Tobias Koch, die Pandemie sei bereits außer Kontrolle geraten.
Die Infektionszahlen gäben es nicht her, das ganze Land in Haftung zu nehmen, sagte der AfD-Politiker Jörg Nobis. Ganze Wirtschaftszweige würden zerstört. Statt pauschaler landesweiter Maßnahmen sollte es zielgerichtete lokale geben.
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH