«Bewältigung rassistischer Angriffe dauert Jahre»

25. Oktober 2020 ©
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Menschen, die Opfer eines rassistischen oder rechtsextremistischen Angriffs werden, leiden oft noch dann unter den Folgen, wenn körperliche Wunden längst verheilt sind. «Menschen, die Opfer eines schweren Angriffs wurden, haben oft Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte mit den Folgen eines solchen Angriffs zu tun», sagte Roman Jeltsch, stellvertretender Leiter der Beratungsstelle für Opfer rassistischer, antisemitischer und rechtsextremistischer Gewalt, der Deutschen Presse-Agentur.
Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Menschen, die Opfer eines rassistischen oder rechtsextremistischen Angriffs werden, leiden oft noch dann unter den Folgen, wenn körperliche Wunden längst verheilt sind. «Menschen, die Opfer eines schweren Angriffs wurden, haben oft Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte mit den Folgen eines solchen Angriffs zu tun», sagte Roman Jeltsch, stellvertretender Leiter der Beratungsstelle für Opfer rassistischer, antisemitischer und rechtsextremistischer Gewalt, der Deutschen Presse-Agentur.
Die Beratungsstelle, die an der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank angesiedelt ist, arbeitet unter anderem mit Hinterbliebenen der Opfer des Terroranschlags von Hanau und betreut auch einen jungen, bei einem Messerangriff schwer verletzten Iraker, der als Nebenkläger im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auftritt. Dem Deutschen Stephan Ernst wird wegen des mutmaßlichen Angriffs auf den Iraker im Jahr 2016 versuchter Mord vorgeworfen. Am kommenden Donnerstag ist die Aussage des irakischen Nebenklägers in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt geplant.
Dass Verbrechensopfer auch nach der Tat unter den Folgen leiden, trifft zwar auch für andere Opfergruppen zu. Bei Betroffenen rassistischer oder antisemitischer Gewalt komme aber noch dazu, dass sie nach Abschluss des Beratungsprozesses «immer noch im Rahmen eines in der Gesellschaft wirkenden Rassismus leben», sagte Jeltsch. Dazu gehörten eben auch Diskriminierungserfahrungen oder strukturelle rassistische Erlebnisse, die die Erinnerung an die Tat wieder aufleben lassen könnten. Häufig würden Beratungen in dem Wissen beendet, dass die Betroffenen «jederzeit wieder einen Angriff erleben können und weiterhin gefährdet sind».
Hinzu komme häufig bereits bei der Bearbeitung des Falls durch Polizei oder Justiz, «dass Rassismus gar nicht gesehen wird». Die Aufmerksamkeit werde auf den Straftatbestand gelegt, beispielsweise Körperverletzung, nicht aber auf die rassistische Motivation.
Neben psychosozialen Beratungsangeboten und Unterstützung - etwa in sozialrechtlichen Fragen wie Krankengeld oder möglichen Entschädigungsansprüchen - begleiten -Berater Opfer rassistischer Gewalt auch in Strafprozessen - nicht mit juristischem Rat, sondern als Betreuer «emotional», wie Jeltsch sagte.
«Der «Apparat» von Sicherheits- und Ermittlungsbehörden kann nach so einem Vorfall schon mal ziemlich über Betroffene hinwegrollen», meinte Jeltsch. Denn unmittelbar nach einer Tat konzentriert sich die Arbeit der Ermittler auf die Suche nach dem Täter - «und in dieser Perspektive sind die Betroffenen einer solchen Tat zuallererst Zeugen, deren Aussage eine wichtige Rolle spielen kann». Das Strafverfahren sei dann für die Betroffenen auch eine Chance, einen gewissen Abschluss zu finden.
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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