Rüben-Ballett und Feuerspucker im Kulturhauptstadt-Endspurt
23. Oktober 2020
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Beim Thema Europäische Kulturhauptstadt fallen einem Architektur und Kunst ein, aber bestimmt kein Rübenacker. Doch der Bewerber Hildesheim entführt die europäische Auswahl-Jury auf ein matschiges Feld bei Garmissen, wo Tänzerinnen in Rüben-Kostümen und Trecker ein Ballett aufführen.
Hannover/Hildesheim (dpa/lni) - Beim Thema Europäische Kulturhauptstadt fallen einem Architektur und Kunst ein, aber bestimmt kein Rübenacker. Doch der Bewerber Hildesheim entführt die europäische Auswahl-Jury auf ein matschiges Feld bei Garmissen, wo Tänzerinnen in Rüben-Kostümen und Trecker ein Ballett aufführen. Die Stadt tritt zusammen mit mehr als ein Dutzend Gemeinden aus dem Umland an. «Wir bewerben uns als Provinz», sagte der Leiter des Projektbüros Hildesheim 2025, Thomas Harling. In ganz Europa sei es wichtig, dass die Stimme der nicht-urbanen Gebiete mehr gehört werde.
Mit Hannover und Hildesheim sind gleich zwei niedersächsische Bewerber im Endspurt um den begehrten Titel, der internationales Renommee und zusätzliche Touristen verspricht. Am Mittwoch (28. Oktober) wird verkündet, welche deutsche Stadt sich im Jahr 2025 Europäische Kulturhauptstadt nennen darf. Das niedersächsische Kulturministerium unterstützt die Bewerbungen mit jeweils 500 000 Euro. Gewinnt Hannover oder Hildesheim, will das Land bis zu 25 Millionen Euro geben. Noch im Rennen um den Titel sind außerdem Chemnitz, Magdeburg und Nürnberg.
Hannover lässt es beim virtuellen Jury-Besuch richtig krachen, inklusive Feuerspucker. Hauptdrehort ist das Ihme-Zentrum, ein heruntergekommener Hochhauskomplex, an dem zuletzt Finanzinvestor Lars Windhorst die Mehrheitsanteile übernommen hat. An der Präsentation sind Künstler der freien Szene genauso wie Sänger und Tänzer der Staatsoper beteiligt. «Wir sind voll ins Risiko gegangen und noch einmal über uns hinausgewachsen», sagt Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne).
Die niedersächsische Landeshauptstadt will im Bewerbungsverfahren mit Kreativität punkten. Schon das erste Bewerbungsbuch war ein Roman. Ein prominenter Unterstützer der Bewerbung ist der politisch engagierte Pianist Igor Levit, der im Alter von acht Jahren mit seiner Familie aus Russland nach Hannover zog. In der Corona-Krise gewann er neue Fans mit täglichen per Twitter gestreamten Hauskonzerten. Für Hildesheim wirbt mit Thomas Quasthoff ebenfalls ein bekannter Musiker. Der in Berlin lebende Sänger findet an der Bewerbung gut, dass «ein Wir-Gefühl» erzeugt werden soll, wie er der «Hildesheimer Allgemeinen Zeitung» sagte.
Am Montag beginnt die finale Sitzung der Auswahljury, am Mittwoch wird das Ergebnis verkündet - so lange wird in den fünf deutschen Bewerberstädten noch gezittert. Die zweite Europäische Kulturhauptstadt 2025 kommt aus Slowenien. Deutschland hatte den Titel zuletzt 2010 (Essen und das Ruhrgebiet), aktuell tragen ihn Rijeka (Kroatien) und Galway (Irland).
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH