Gabriels Vertrag bei Tönnies stößt auf viel Kritik bei SPD

3. Juli 2020 ©
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Der Beratervertrag des ehemaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel beim Fleischkonzern Tönnies stößt auch in seiner eigenen Partei auf harsche Kritik. Er sei enttäuscht und erwarte, dass Gabriel den Sachverhalt vollständig aufkläre, sagte der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty am Freitag in Düsseldorf.
Düsseldorf/Berlin (dpa/lnw) - Der Beratervertrag des ehemaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel beim Fleischkonzern Tönnies stößt auch in seiner eigenen Partei auf harsche Kritik. Er sei enttäuscht und erwarte, dass Gabriel den Sachverhalt vollständig aufkläre, sagte der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty am Freitag in Düsseldorf. «Man sollte sich als ehemaliger Vizekanzler schon daran erinnern, was man selbst gefordert hat, bevor man Verträge unterschreibt», betonte der frühere NRW-Justizminister.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Gabriel von März bis Mai 2020 für Tönnies als Berater tätig war. Im Stammwerk des Fleischkonzerns im westfälischen Kreis Gütersloh hatten sich im Juni weit mehr als 1000 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Deshalb gab es heftige Kritik an den Arbeitsbedingungen im Unternehmen.
Kutschaty forderte ein Lobby-Register: «Der Einfluss von Unternehmen und Verbänden auf die Gesetzgebung muss transparenter gemacht werden.» Um Missstände, wie bei Tönnies, wirksam ahnden zu können, brauche Deutschland endlich ein Unternehmensstrafrecht.
Gabriels Rolle bei Tönnies stieß auch anderen führenden Sozialdemokraten sauer auf. «Das, was er jetzt macht, ist wahrscheinlich legal. Legitim? Darüber muss man diskutieren. Ich sage es mal in den Worten meiner Mutter: Es gibt Situationen, da kommt mir das Gefühl, so was macht man nicht», sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der «Bild». Er bedaure Gabriels Vorgehen. «Meine Mutter lebt leider nicht mehr. Sie hat Sigmar Gabriel immer sehr gerne gemocht. Die hätte ihm jetzt wahrscheinlich gesagt: Warum machst Du das?»
Ähnlich reagierte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). In der ZDF-Sendung «Maybrit Illner» sagte sie, sie verstehe die Entscheidung Gabriels nicht. «Das geht gar nicht und ich glaube, das weiß Sigmar Gabriel selbst auch.»
Die SPD-Politikerin Hilde Mattheis sagte am Freitag im Deutschlandfunk, es habe «mehr als ein Gschmäckle», wenn jemand, der wirtschaftspolitisch aktiv gewesen sei, seine Kontakte mitnehme und für ein so großes Unternehmen als «Außenkurier» tätig werde. Mit Blick auf das laut Medienberichten an Gabriel gezahlte Pauschalhonorar von 10 000 Euro im Monat sagte die SPD-Linke, im gleichen Unternehmen arbeiteten Menschen «unter unsäglichen Bedingungen» und zu einer «wahnsinnig schlechten Bezahlung».
Der rechts- und verbraucherpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, nannte Gabriels Tätigkeit am Freitag «unnötig». «Die Arbeitsweise von Herrn Tönnies war längst bekannt.» Deswegen hätte Gabriel das nicht tun sollen. «Das Ärgerliche ist, dass dadurch überdeckt wird, was die SPD seit längerem fordert gegen Werkverträge in der Fleischindustrie, schärfere Kontrollen, mehr Personal bei den Behörden, die insbesondere die Arbeitszeiten überwachen.» Seine Partei versuche seit langem, Verbesserungen mit dem Koalitionspartner Union zu erreichen.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, warf Gabriel vor, als Minister nichts Effektives gegen die Missstände in der Fleischindustrie getan zu haben. «Jeder muss selbst wissen, mit wem er sich einlässt», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). «Was man aber nicht vergessen darf: Als Wirtschaftsminister hatte Sigmar Gabriel sich am Ende mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Fleischindustrie zufrieden gegeben - trotz der schon damals bekannten Missstände.»
Gabriel hatte seine Beratertätigkeit am Donnerstagabend bei «Bild» erneut verteidigt - und auch, dass er diese nicht öffentlich gemacht hatte. «Ich bin kein Politiker mehr, und ich bin weder dazu verpflichtet noch kann ich so ohne Weiteres Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens preisgeben, an dem auch andere beteiligt sind», sagte Gabriel. «Ich glaube, dass Clemens Tönnies gerade das Gesicht für den gesamten Corona-Frust in der Bundesrepublik ist.» Die Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sei zwar berechtigt. Dass Tönnies zum Buhmann für die gesamte Corona-Debatte gemacht werde, nannte Gabriel hingegen «überzogen». «Tönnies hat sich an Recht und Gesetz gehalten, er ist kein Verbrecher. Es sind sicher im Unternehmen, in der gesamten Branche Fehler unterlaufen.»
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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