«Wir sind noch nicht über den Berg»

31. Mai 2020 ©
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Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg hat eine positive Zwischenbilanz der Corona-Bekämpfung gezogen. «Wir sind aber noch lange nicht über den Berg, auch wenn die Zahlen der Neuinfektionen der vergangenen Tage erfreulich niedrig waren», sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg hat eine positive Zwischenbilanz der Corona-Bekämpfung gezogen. «Wir sind aber noch lange nicht über den Berg, auch wenn die Zahlen der Neuinfektionen der vergangenen Tage erfreulich niedrig waren», sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Das Virus, das sich Mitte März stark ausgebreitet hatte, sei nach wie vor auch im Norden vorhanden - «und es kann jederzeit erneut zu Infektionen und Ausbruchsgeschehen kommen».
Im Rückblick zeigte sich Garg ein erleichtert: «Die Maßnahmen zur Beeinflussung der Ausbreitungsdynamik haben wir so rechtzeitig ergriffen, dass ein flächendeckendes Infektionsgeschehen mit einer Vielzahl an Erkrankungen verhindert werden konnte. Das Eindämmen der Pandemie ist insofern bisher gelungen.» Dafür haben laut Garg auch die Schleswig-Holsteiner «mit ihrem bislang vorbildlichen Verhalten gesorgt». In Schleswig-Holstein hat es zuletzt täglich meist nur etwa ein handvoll Neuinfizierte gegeben.
Dass ab Anfang Juni die Kitas für den größten Teil der Kinder in Schleswig-Holstein wieder öffnen können, «das hätte ich vor wenigen Wochen so noch nicht für möglich gehalten», sagte Garg. Er rief dazu auf, weiterhin die allgemein gültigen Regeln zur Verhinderung der Virusübertragung zu beachten: «Also Abstand halten und sonstige Hygienemaßnahmen beachten.»
Kritik der Pflegeberufekammer und der Landes-Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, das Land habe zu spät und zu wenig gegen den Mangel an Masken und anderer Schutzausrüstung getan, ließ Garg nicht gelten. «Das Land hat, als uns Hilferufe von Einrichtungen erreicht haben, mit einem rasch etablierten Verfahren reagiert und mit Hilfe des THW Notfallpakete zur Unterstützung an Einrichtungen verteilt.» Weltweit sei durch die erhöhten Bedarfe und den Produktionsausfall in China der Weltmarkt zusammengebrochen. «Schutzausrüstung war von einem auf den anderen Tag kaum noch zu bekommen», sagte Garg.
«Wir haben daher schnell eine zentrale Beschaffung ergänzend zu den Beschaffungsstrukturen der Einrichtungen und des Bundes aufgebaut.» Mittlerweile erhielten die Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Beteiligte des Gesundheitswesens wieder zuverlässig über die eigenen etablierten Wege ihre Materialien.
Die jetzt aufgebaute strategische Reserve des Landes sei etwa für Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit Covid-19-Patienten vorgesehen - und zwar nur für den Notfall, sollten andere Beschaffungsbemühungen nicht fruchten. Perspektivisch stärke das Land die heimische Produktion durch ein 10-Millionen-Euro-Programm für Schutzausrüstung aus Schleswig-Holstein, um unabhängiger vom Weltmarkt zu werden.
Zur Sorge der Präsidentin der Pflegeberufekammer, Patricia Drube, die Lockerungen der Besuchsverbote in Heimen könnten zu mehr Todesfällen führen, verwies Garg auf die Grundrechte: Freiheitseinschränkende Maßnahmen müssten stets auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. «Vor dem Hintergrund der niedrigen Viruszirkulation auf Bevölkerungsebene, aber auch vor dem Hintergrund sozial-medizinischer Aspekte war es zwingend, dass unter strengen Hygieneauflagen Menschen auch wieder Besuche empfangen können müssen.» Das gelte auch, wenn bundesweit 86 Prozent der Toten im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung 70 Jahre und älter seien.
Die Gesundheitsämter wurden laut Garg personell aufgestockt. Neben internen Umschichtungen sei ein Volumen von 34 Vollzeitstellen dazu gekommen. Das Land habe fünf Millionen Euro für weitere 100 Stellen zur Verfügung gestellt. Und es seien Ärzte im Ruhestand für die Mitarbeit in den Gesundheitsämtern gewonnen worden. In den 15 Gesundheitsämtern des Landes seien insgesamt 15 vom Bund finanzierte Containment Scouts für die Nachverfolgung von Kontaktpersonen im Einsatz. Zusätzlich unterstützten Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen die Gesundheitsämter.
Forderungen, alle Schüler und Lehrkräfte sowie Bewohner und Personal von Pflegeeinrichtungen zu testen, sind nach Ansicht Gargs kaum sinnvoll: «Ein einzelner Test ist immer nur eine Momentaufnahme.» Bei negativen Testergebnissen könne sich im Falle einer Infektion während der Inkubationszeit von 14 Tagen das Ergebnis noch auf «positiv» ändern. «Insofern ist eine flächendeckende Momentaufnahme von geringer Aussagekraft», sagte Garg.
Das Land setze auf periodisch wiederkehrende Testungen in klar definierten Abständen in bestimmten, ausgewählten Einrichtungen etwa in einer Stadt und in einem Kreis. Ein Pilotprojekt zum präventiven, regelmäßigen Screening von Personal in Pflegeheimen laufe. In zwei Pflegeheimen in zwei Kreisen mit jeweils hoher und niedriger Inzidenz werde das Personal einmal wöchentlich untersucht. «Auf Basis der aus dem Pilotprojekt gewonnenen Erkenntnisse wird das Testkonzept für Schleswig-Holstein diesbezüglich weiterentwickelt», sagte Garg.
Auf die Frage, ob Thüringen mit seinen Plänen zur Aufhebung der Corona-Auflagen ein Vorbild sein könne, antwortet Garg: «Schleswig-Holstein braucht in diesem Fall keine Vorbilder. Wir haben mit der neuesten Verordnung bereits einen Systemwechsel vollzogen: Weg von generellen Verboten mit Ausnahmen, hin zu nur noch notwendigen Einschränkungen, verbunden mit dem Appell an die Eigenverantwortung. Alles andere wäre auch vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens nicht mehr verhältnismäßig.»
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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