Mundschutz und volle Terminbücher

29. April 2020 ©
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«Die Kunden müssen damit leben, sie tragen es teils mit Humor, teils mit Fassung.» Und nicht nur die Frauen fieberten dem Friseurtermin nach sechs Wochen geschlossener Salons entgegen. Bei den Männern sei es mindestens genauso.
Bernburg/Wittenberg/Biederitz (dpa/sa) - «Die Kunden müssen damit leben, sie tragen es teils mit Humor, teils mit Fassung.» Und nicht nur die Frauen fieberten dem Friseurtermin nach sechs Wochen geschlossener Salons entgegen. Bei den Männern sei es mindestens genauso. Viele setzen schon das Basecap auf, weil es nicht mehr gehe, sagte Erika Elsholz-Sachs, die seit 43 Jahren Friseurin ist. Die Obermeisterin der Friseurinnung Magdeburg/Jerichower Land kennt ihre Kunden genau. Von kommenden Montag an wird sie in Biederitz bei Magdeburg wieder waschen, schneiden, färben und föhnen. Wie alle Friseure ist sie vorbereitet auf ein ganz anderes Arbeiten als bisher.
Damit das Geschäft weitergeht, müssen sich die knapp 2000 Friseur-Unternehmen in Sachsen-Anhalt an den Arbeitsschutzstandard ihrer Berufsgenossenschaft halten. Der besagt: 1,50 Meter Schutzabstand, nur die jeweilige Kundin und die zuständige Beschäftigte dürfen sich einander weiter nähern. Markierungen oder Absperrungen sollen die Bewegungsräume deutlich machen. Wartebereiche und Spielecken werden genauso abgeschafft wie Zeitungen, der Kaffee und das Wasser. Haare werden nur noch nass geschnitten, selbst bei Kindern.
Um den nötigen Abstand im Friseursalon einzuhalten, gibt es je nach den Räumlichkeiten weniger Arbeitsplätze als bisher. «Das ist hart, wenn sie durch die Läden fahren und die Arbeitsplätze aus dem Verkehr ziehen», sagt der Obermeister der Innung in Wittenberg, Hendrik Hiller. Zehn Bedienplätze seien bei ihm weggefallen. Im Landkreis betreibt Hiller vier Geschäfte mit 30 Mitarbeitern, eine Fußpflege und einen Kosmetiksalon. Wie die anderen Friseure hat er seit dem 23. März geschlossen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter musste er in Kurzarbeit schicken. Von Montag an werden sie in zwei Schichten alle Hände voll zu tun haben. Bis zu vier oder sechs Wochen reichten die Termine in den Büchern. Vielfach verlängern die Friseure ihre Öffnungszeiten.
Die Maskenpflicht - bislang in Bussen, Bahnen und beim Einkaufen - gilt dann auch für Friseure wie für Kunden. Ganz schön knifflig wird es, wenn etwa die Haare hinter den Ohren geschnitten werden müssen, sagt Obermeisterin Elsholz-Sachs. Das sei aber alles hinzubekommen. Kreativität ist ohnehin gefragt. Die Bernburger Friseurmeisterin Kathrin Bischoff denkt auch daran, Kundinnen mit der Farbe im Haar bei gutem Wetter auf dem Hof oder in der großen Küche warten zu lassen - alles, um den Abstand zu wahren. Schon für drei Wochen seien die Termine ausgebucht, sagt die Einzelunternehmerin mit fünf Angestellten.
«Die Masken nähe ich auch selber für die Kunden, die keinen Mundschutz haben», sagt die Friseurin, die ihr Geschäft seit zwölf Jahren betreibt. Einmal-Mundschutz sei zudem als Großbestellung über die Innung besorgt worden - je nach Größe der Betriebsstätte soll zugeteilt werden, sagt Bischoff. Man habe sich schon beizeiten gekümmert um den Mundschutz. Auch der Wittenberger Friseur Hiller hat nach eigenen Angaben rechtzeitig vorgesorgt bei Einmalumhängen und Mundschutz.
Obermeisterin Erika Elsholz-Sachs aus Biederitz sieht die Ausstattung und Organisation innerhalb der Salons gar nicht als das größte Problem. Das sei aus ihrer Sicht die Kinderbetreuung der Friseurinnen. «Wir haben viele junge Frauen, die für ihre Kinder eine Notbetreuung brauchen.» Nach der aktuellen Landesverordnung hätten sie keinen Anspruch darauf. An das Handwerk sei bislang nicht gedacht.
Und auch wirtschaftlich hat die Branche massiv zu kämpfen. Sie sei sehr, sehr gebeutelt. Und viele Betriebe seien existenziell bedroht, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle, Jens Schumann. Anders als Gastronomen, für die ein Außerhaus-Verkauf möglich sei, seien die Friseure seit sechs Wochen dicht und gänzlich ohne Einnahmen. Nach der Einschätzung der Handwerkskammer Magdeburg gibt es eine große Zahl von Klein- und Kleinstbetrieben, bei denen kleinste Störungen der Betriebsabläufe schon besonders negativ auf die Liquidität des Unternehmens durchschlagen würden.
«Sie haben in aller Regel noch keine Gelder aus dem Soforthilfepaket erhalten und können damit in einem nennenswerten Umfang auch nicht rechnen», erklärte Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe. «Sie sind in der derzeitigen Situation auf jede Einnahme angewiesen, um eine Gewerbeabmeldung, Insolvenz und Inanspruchnahme der Grundsicherung zu vermeiden.» Die Erfahrungen mit der Soforthilfe sind durchaus unterschiedlich. Der Wittenberger Innungsmeister Hiller berichtete, die Soforthilfe sei für sein Unternehmen geflossen. Aus Sicht von Obermeisterin Erika Elsholz-Sachs aus Biederitz fließen die Hilfen zu langsam, sie sei mit vielen Kollegen in Kontakt, bei vielen sei noch nichts angekommen.
Quelle: dpa - Deutsche Presse-Agentur GmbH

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